| Die faulen Früchte am Baum der sexuellen Revolution 
 Bestseller-Autorin
  Christa Meves über Abtreibung, Missbrauch, Pornographie. Aus Anlass
  des 85. Geburtstags von Christa Meves hat der Münchner Journalist Michael
  Ragg die Psychotherapeutin für
  Kinder und Jugendliche ausführlich interviewt (ZENIT berichtete). Aus
  seinen Fragen zu ihrer Arbeit, ihrem Leben und ihrem Glauben, aber auch zu
  gesellschaftlichen und politischen Fragen der Zeit ist ein ganzes Buch geworden,
  das in der kommenden Woche erscheint. ZENIT bringt an dieser Stelle einen Vorab-Auszug
  zu aktuellen Fragen, wie Kindesmissbrauch sowie Abtreibung. Ein weiterer Auszug
  folgt am Freitag.
 
 Michael Ragg: Wir haben über mancherlei gravierende
  Zukunftsfragen unserer Gesellschaft gesprochen, aber das Thema Massen-Abtreibung
  erst gestreift. Auch in den Medien und in der politischen Diskussion ist davon
  selten die Rede. Warum ist das ein solches Tabu-Thema?
 Christa Meves: Weil jeder heute in unserer aufgeklärten Zeit weiß,
  was Abtreibung bedeutet, dass hier nämlich ein lebendes Wesen getötet
  wird, das von Anfang an Mensch ist, dessen Herz kurze Zeit nach der Zeugung
  zu schlagen beginnt, dessen Nervensystem und Gehirn sich rasch ausbildet, das
  auch Schmerzen empfinden kann. Jeder Mensch weiß also, dass Abtreibung
  falsch ist. Dass dennoch in unserem Land in den vergangenen vierzig Jahren
  acht Millionen Menschen nicht haben geboren werden dürfen, liegt auch
  an der Aufweichung dieses Paragraphen 218 mit der großen Strafrechtsreform
  von 1975. Die Bestrafung ist seitdem weggefallen und damit das Unrechtsbewusstsein
  in der Bevölkerung,
  zumal die gesetzlichen Krankenkassen seitdem die Kosten für eine Abtreibung übernehmen.
 Aber tabuisiert wird dieses Thema vor allem, weil so viele darin verstrickt
  sind. Rechnen Sie einmal diese riesige Zahl hoch. Machen Sie sich klar, wer
  alles seine Zustimmung zu jeder einzelnen Abtreibung gegeben hat: meistens
  erst einmal die Erzeuger, nicht selten die Eltern und weitere Verwandte im
  Umfeld, dazu das ärztliche
  Personal und die Zwischen-Instanzen, die Beratungsscheine ausstellen. Dann wird
  deutlich, wie viele Menschen sich hier mitschuldig gemacht haben. Und es ist
  schwer, mit Schuld zu leben, die sich nicht wieder gut machen lässt. Deshalb
  neigt jeder Betroffene dazu, das Unrecht zu verdrängen.
  Diese Massenschuld wird heute allerdings als eine sich übel auswirkende
  Last erkennbar: Die acht Millionen getöteten Kinder fehlen uns schon heute
  als diejenigen, die aktiv das Bruttosozialprodukt erarbeiten. Auf die Dauer müssen
  viel zu wenige Menschen unser Sozialgefüge mit all den Schwachen, den
  Kleinen und den Alten tragen.
 
 Michael Ragg: Dass der Geburtenschwund ursächlich auch mit den Abtreibungen
  zusammenhängt ist leicht einsichtig. Wie wirkt sich aber eine Abtreibung
  auf das Leben der betroffenen Frauen und Familien aus?
 Christa Meves: Bei diesem Tabuthema hören wir viel zu wenig darüber,
  wie viele der Mütter, die abgetrieben haben, an posttraumatischen Symptomen
  erkranken. Viele würden das Geschehene gerne rückgängig machen
  wollen, sie sehen ihr Kind im Traum, oder sie phantasieren sich aus, eines
  der Kinder auf der Straße sei ihr abgetriebenes Kind. Manche stellen
  insgeheim eine Beziehung zu ihrem getöteten Kind her und sprechen mit
  ihm.  Sie
  wissen, trotz aller Therapie, und sagen das auch: Die Abtreibung hat mich selbst
  seelisch schwer verletzt, und das werde ich nun nie wieder los. Viele von ihnen
  erkranken später auch an einem Krebsleiden, vornehmlich am Brustkrebs.
 Häufig zerbrechen daran auch die Ehen, besonders in den Fällen, in
  denen der Ehemann seine Frau unter massiven Druck gesetzt hat. Für diese
  Frauen ist er der Schuldige, und das bewirkt, dass sie ihn und besonders seine
  körperliche Nähe nicht mehr ertragen können. Sehr negativ auf
  den Erhalt einer Beziehung zwischen dem Mann und der Frau wirkt es sich auch
  aus, wenn sie die Abtreibung heimlich vornahm, weil sie wusste, dass der Mann
  diesen Schritt nie tolerieren würde. Solche Männer werden depressiv
  oder gehen fort, weil sie das als unverzeihlichen Vertrauensverlust und die Frau
  als Mörderin ihres eigenen Kindes erleben. Auf diese Weise können auch
  die Beziehungen zwischen Eltern und ihren Töchtern total zerbrechen, besonders
  in den Fällen, in denen diese vor der Abtreibung dem massiven Druck der
  Eltern nicht haben widerstehen können.
 Es gibt aber auch Familien, die sich aus dem Desaster wirklich herausretten.
  Das sind die, die durch das Erleben und Erleiden zu der eigentlich allein wirksamen
  Hilfe hinfinden: zu der Erkenntnis, dass Christus am Kreuz, in einer bewussten
  Erlösungstat für sie persönlich diese Schuld auf sich genommen
  hat. Solche Familien können, besonders in der Beichte und Kommunion, durch
  die Befreiung von ihrer Schuld Frieden finden, wodurch ihr Glaube sich sehr
  vertiefen kann. Das gibt ihrer Seele Frieden und das wirkt sich auch auf ihr
  Umfeld positiv aus.
 
 Michael Ragg: Nebst der Abtreibung ist es vor allem der
  Kindesmissbrauch, der unser Entsetzen hervorruft. Zuletzt stand das Berliner
  Canisius-Kolleg der Jesuiten im Brennpunkt des Interesses. Auch Gruppierungen,
  die eigentlich den Sex mit Kindern ganz freigeben wollen, fallen mit Häme über die Kirche her.
  Gibt es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen Zölibat und Pädophilie?
 Christa Meves: Das war mal wieder ein gefundenes Fressen für die Medien,
  um die Kirche als unglaubwürdig darzustellen und ihren Einfluss auf diese
  Weise zu mindern. Aber mit dieser Argumentation einen Angriff auf den Zölibat
  zu starten, stellt einen unbewiesenen Zusammenhang her. Vor allem: Wer im Glashaus
  sitzt sollte nicht mit Steinen schmeißen! Die Zahl der Missbrauchsfälle
  von erwachsenen Männern, zum großen Teil von Verheirateten, ist
  im Verhältnis zu denen in der katholischen Kirche geradezu Legion.
 Der sexuelle Missbrauch als Massenphänomen war ab 1968 ebenso voraussagbar,
  wie die Zerrüttung der Schule. Durch die „Befreiung zur Sexualität
  und ihrer gesellschaftlichen Enttabuisierung war abzusehen, dass eine Steigerung
  der Sexualsüchte hervorgerufen werden würde; denn die Sexualität
  ist ja ein ebenso großer Lebensbeweger wie etwa der Nahrungstrieb. Wie
  die anderen hier schon beschriebenen Grundlebenstriebe unterliegt sie   eben ähnlichen
  Naturgesetzen.
 Die Moderne unterschätzt die Macht der Sexualität und das erschwert
  ihre Beherrschung. Nach ihrer Enttabuisierung ist im Laufe der Jahre hierzulande
  ist ein staunenswertes Durcheinander entstanden. Denn es darf ja jeder alles
  damit machen, was sich damit machen lässt. Allein Pädophilie und Vergewaltigung
  unterlagen noch einer gesetzlichen Eingrenzung. Klar, dass dennoch sogar solche
  Sexualdelikte vermehrt auftraten, ja, in eine Eskalation drifteten. In den letzten
  Jahren ist nun noch hinzugekommen, dass sich jeder Jugendliche per Mausklick
  im Internet der Pornographie verschreiben kann. Der Schaden  ist bei vielen,
  vor allem bei jungen Männern groß; denn die missbrauchte Natur rächt
  sich auch bei diesem Triebriesen, indem sie den in dieser Weise Praktizierenden  in
  der gleichen Manier wie bei allen anderen Missbräuchen der Natur seines
  freien Willens beraubt, und ihn nach immer stärker aufreizendem Material
  auf die Suche gehen lässt.
 Die lauten Anklagen der Öffentlichkeit über kindsverführende Priester
  lassen sich doch nicht ablösen von dem verheerenden Hintergrund der entfesselten
  Sexualität in unserem Zeitgeist.  Aber die Delikte ihrer Insider muss
  die Kirchenleitung besonders treffen und enttäuschen, hat sie doch in all
  den Wüstenstürmen an ihrer Sexualmoral festgehalten und sich dafür
  durch drei Jahrzehnte hindurch fortgesetzt als veraltet und leibfeindlich beschimpfen
  lassen müssen. Es ist also  ein ziemlich absurder Pranger, der da nun
  jüngst auf dem Petersplatz errichtet worden ist.
 
 Michael Ragg: Wir haben jetzt vierzig Jahre sexuelle Revolution
  hinter uns. Vor allem die Pille, aber auch freizügige Darstellungen in
  Bild und Film sollten mehr Freude am Sex, mehr Lust, mehr Befriedigung bringen.
  Hat Oswald Kolle recht behalten?
 Christa Meves: Er selbst glaubt das ja eindeutig, wenn man ihn immer noch
  wieder in den Talkshows als erfolgreichen Vollender seines vermeintlichen Siegeszuges
  zu sehen und zu hören bekommt. Auf die nicht mehr zu bändigenden
  Schäden
  durch sexuellen Missbrauch wird er ja kaum angesprochen. Es wird wohl den alten
  Provokateuren nichts anderes übrigbleiben, als dieses schandbare Ergebnis
  geflissentlich zu übersehen. Auch die Römer haben Hanniballs Angriff
  so lange geleugnet, bis er mit seinen Elefanten vor ihren Toren stand.
 Die Wahrheit heißt aber, dass das Übermaß an Krankheiten auf
  diesem Sektor allein schon das Gesundheitswesen sprengt. Darüber hinaus
  bewirkt die Exhibition in den Medien generell eine vergröbernde Entschämung,
  was besonders bei vielen Mädchen in der jungen Generation bereits einen Überdruss
  und eine Uninteressiertheit am Thema Sex bewirkt hat. Und auch dieses durch Übermaß  hervorgerufene
  neue Desinteresse  lässt  den Geburtenschwund ebenfalls mit
  zu einer existentiellen Gefahr werden.
 
 Michael Ragg: Sexualität ist zwar allgegenwärtig, über die eigenen
  Probleme damit spricht man aber nach wie vor nicht oder sagt jedenfalls nicht
  die Wahrheit. Wo liegen nach Ihren Erfahrungen aus der Praxis heute die hauptsächlichen
  Schwierigkeiten?
 Christa Meves: Sie sind vielfältig und zahllos; mit und ohne Viagra leiden
  Männer an Potenzproblemen. Jugendliche Männer halten sich für
  schwul, ohne es zu sein. Junge Frauen, die jahrelang die Pille nahmen, warten
  vergeblich auf Nachwuchs. Sogar mit der so schmackhaft gemachten Selbstbefriedigung
  kommen manche junge Frauen und erst recht junge Männer nicht zurecht und
  fühlen sich in der Falle; oder die Pornographie hat sie in den Klauen.
  Die Bilanz ist auf der ganzen Linie  noch viel verheerender und unglücklich
  machender als sich das ab 69 voraussagen ließ.
 
   [Christa Meves/ Michael Ragg, „Es ist noch nicht zu spät! Neue Wege
  in eine lebenswerte Welt - Ein Gespräch mit Christa Meves, 176 Seiten,
  Gerhard Hess Verlag, Edition Domspatz, Bad Schussenried 2010, ISBN 978-3-87336-925-2;
  Bestell-Adresse: Domspatz-Agentur, agentur.domspatz@gmail.com,
  Tel. 089 - 44 45 45 05, Hohenbrunner Weg 2, 82024 Taufkirchen]
 
 Quelle: www.zenit.org
 
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