Wenn Eheleute mit ihrem Leib die Wahrheit sagen - Bischof Victor Galeone
(Saint Augustine, Florida) in einem Hirtenbrief über den Plan Gottes für
die Ehe
Meine Brüder und Schwestern im Herrn,
1. Die Parlamente einiger Staaten beraten zur Zeit über Gesetze, in denen
die Ehe als eine dauerhafte Vereinigung von irgendwelchen zwei Erwachsenen ungeachtet
ihres Geschlechts umdefiniert würde. Solche Gesetze würden Vereinigungen
gleichgeschlechtlicher Partner mit der traditionellen Ehe gleichstellen. Ferner
eskalieren nach wie vor die Scheidungsraten, und es ist schon so weit gekommen,
dass Ehepaare jetzt eine bona fide (auf Treu und Glauben) Scheidung online für
ein Honorar, das zwischen 50 und 300 Dollar schwankt, bekommen können.
Diese jüngsten Entwicklungen sind nur Symptome einer weitaus gefährlicheren
Verwirrung. Wenn nicht die Hauptwurzel dieser Unordnung entfernt wird, werden
wir, so fürchte ich, weiter die Frucht gescheiterter Ehen und der Verschlechterung
des sexuellen Verhaltens auf jeder Ebene der Gesellschaft ernten.
Was ist das für eine Unordnung? Es ist die Empfängnisverhütung.
Die Praxis ist so weit verbreitet, dass 90 Prozent der Ehepaare an einigen Punkten
ihrer Ehe betroffen sind, über alle konfessionellen Grenzen hinweg. Da
es eine der Hauptaufgaben des Bischofs ist, zu lehren und Orientierung zu geben,
lade ich Sie dazu ein, sich ins Gedächtnis zu rufen, was die Kirche auf
diesem Gebiet lehrt und, was noch wichtiger ist, warum sie es lehrt.
I. Gottes Plan für die Ehe
2. Für die weitaus größte Mehrheit der Menschen heute ist die
Empfängnisverhütung kein Thema mehr, darüber diskutiert man nicht
mehr. Schon, dass man sie eine Verirrung nennt, klingt wie eine grobe Übertreibung.
Und sich noch einmal mit diesem Thema zu beschäftigen, scheint so zu sein
als würde man eine Abhandlung der Gesellschaft studieren, welche die Lehre
vertritt, dass die Erde eine Scheibe ist. Aber Empfängnisverhütung
ist ein Thema, ein ganz existentielles Thema. Um zu verstehen, warum sie nicht
in Ordnung, warum sie falsch ist, ist es zuerst notwendig, zu verstehen, was
der ursprüngliche Plan Gottes für die Ehe war. In den Anfangskapiteln
des Buches Genesis erfahren wir, dass Gott selbst die Ehe für einen zweifachen
Zweck bestimmt hat: Leben und Liebe weiterzugeben.
3. Es gibt zwei Schöpfungsberichte im Buch Genesis. Der erste steht im
ersten Kapitel: Gott schuf den Menschen nach seinem eigenen Bild, nach
dem Bild Gottes schuf er ihn: Als Mann und Frau schuf er sie.1 Der nächste
Vers enthält das aller erste Gebot, das Gott uns gegeben hat: Seid
fruchtbar und mehret euch und füllt die Erde. Wir sehen also, dass
Gottes erstes Ziel für die Ehe darin besteht, dass sie lebensspendend ist.
Ohne die Liebesumarmung zwischen Ehemann und Ehefrau würde menschliches
Leben auf dieser Erde aufhören zu existieren. Im zweiten Schöpfungsbericht
in Genesis 2 erfahren wir, dass das zweite Ziel, das Gott für die Ehe hat,
darin besteht, dass sie liebesspendend ist: Es ist nicht gut, dass der
Mensch allein sei. Ich will ihm eine Gehilfin schaffen, die ihm ebenbürtig
ist.2 Ja, Gott wollte, dass Ehemann und Ehefrau innige Freunde sind, die
einander stützen in gegenseitiger, dauerhafter Liebe. Dementsprechend ist
die Ehe dazu da, sowohl Leben als auch Liebe weiter zu geben.
4. Die zwei Ziele der Ehe sind wechselseitig so miteinander verbunden, dass
sie voneinander nicht getrennt werden dürfen. Rufen Sie sich an erster
Stelle ins Gedächtnis, dass Jesus die Möglichkeit einer Scheidung
von Ehemann und Ehefrau ausgeschlossen hat, indem er die folgenden Worte auf
die Vereinigung von Ehemann und Ehefrau anwandte: Sie sind nicht mehr
zwei, sondern ein Fleisch. Was nun Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht
trennen.3
In anderen Worten: die Ehegatten bilden etwas organisch Zusammengehörendes
wie Kopf und Herz -- nicht etwas mechanisch Zusammengehörendes, wie Schloss
und Schlüssel. Daher hat die Trennung vom Kopf oder Herz vom Körper
-- im Gegensatz zu dem Herausziehen eines Schlüssels aus seinem Schloss
-- den Tod des Organismus zur Folge. So ist es auch bei der Scheidung. Ebenso
war es Gott, der auch den liebesspendenden und den lebensspendenden Aspekt der
Ehe in einem und dem selben Akt verband.
Deswegen dürfen wir genau so wenig durch Empfängnisverhütung
trennen, was Gott in dem ehelichen Akt zusammengefügt hat, wie wir durch
Scheidung trennen dürfen, was Gott im Ehebund selbst zusammen gefügt
hat. 4
II. Die Körpersprache der ehelichen Liebe
5. Bevor ich darlege, was die Kirche über Empfängnisverhütung
lehrt, möchte ich einen kleinen Exkurs machen. Nach den Worten Papst Johannes
Pauls II. hat Gott die eheliche Liebe dazu bestimmt, dass sie in einer besonderen
Sprache ausgedrückt wird -- in der Körpersprache des Geschlehtsaktes.5
In der Tat werden für die geschlechtliche Kommunikation viele der Termini
benutzt, die auch bei der verbalen Kommunikation verwendet werden: Verkehr(intercourse),
erkennen (to know), to conceive, (das englische Wort conceive heißt zugleich:
ein Kind empfangen und begreifen), etc.6 Indem wir dies im Auge behalten, wollen
wir uns einige Fragen stellen:
- Ist es normal für eine Ehefrau, dass sie sich Ohrenstöpsel ins
Ohr steckt, während sie ihrem Ehemann zuhört?
- Ist es normal, dass ein Ehemann seinen Mund umwickelt, während er mit
seiner Ehefrau spricht?
Diese Beispiele sind so abnormal, dass sie absurd erscheinen. Wenn aber ein
solches Verhalten für den verbalen Verkehr abnormal ist, warum tolerieren
wir, dass eine Ehefrau während des sexuellen Verkehrs ein Diaphragma (Pessar,
Intrauterinpessar) oder die Pille benutzt, oder ein Ehemann ein Kondom?
6. Schlimmer noch, wie kann jemand es rechtfertigen, dass ein Ehemann seine
gesunden Stimmbänder von einem Chirurgen abschneiden oder eine Ehefrau
ihre gesunden Trommelfelle chirurgisch entfernen lässt? Aber worin unterscheiden
sich solch entsetzliche Beispiele von einer Vasektomie, (operative Entfernung
eines Stücks des Samenleiters, die bei einer Sterilisierung durchgeführt
wird,) oder einer Eileiterabschnürung, wie sie auf dem Gebiet der sexuellen
Kommunikation angewendet werden?
Ist es nicht die Aufgabe eines Chirurgen, ein Organ nur dann zu beseitigen,
wenn es krank ist und das Leben des Menschen bedroht? Wenn die Hoden oder die
Eierstöcke nicht krank sind, warum verhindern wir dann , dass sie ihren
Zweck erfüllen können? Könnte es sein, dass wir so von der Kultur
des Todes indoktriniert sind, dass wir jetzt Babys für eine Krankheit halten,
gegen die wir uns durch Sterilisierung immunisieren müssen?
7. Ja, wir sind nach dem Bild Gottes geschaffen worden! Jesus hat uns Gottes
inneres Leben als eine Dreiheit von Personen offenbart. Daher muss die Körpersprache
der ehelichen Vereinigung zwischen Ehemann und Ehefrau Gottes eigenes inneres
Leben, nämlich, die gegenseitige Liebe zwischen dem Vater und dem Sohn,
welche die Person des Heiligen Geistes ist, widerspiegeln. Von der ersten bis
zur letzten Seite ist die Bibel eine Liebesgeschichte.
Sie beginnt im Buch Genesis mit der Ehe von Adam und Eva, und sie endet im
Buch der Offenbarung mit dem Hochzeitsmahl des Lammes -- der Hochzeit Christi
mit seiner Braut, der Kirche. Von Ewigkeit her sehnt sich Gott danach, sich
selbst mit uns zu vermählen. Niemand hat diese Tatsache anschaulicher dargestellt
als der Prophet Isaiah:
Wie ein junger Mann eine Jungfrau freit,
so freit um dich dein Schöpfer.
Wie ein Bräutigam sich über seine Braut freut,
so wird dein Gott sich über dich freuen.7
Der heilige Paulus arbeitet dieses Thema kunstvoll aus, wenn er schreibt: Ihr
Ehemänner, liebet eure Ehefrauen, so wie Christus die Kirche geliebt und
sich selbst für sie hingegeben hat.8 Wie gab sich Christus selbst
für die Kirche hin? Ganz -- bis zum letzten Tropfen seines Blutes! Er hielt
nichts zurück. Wenn Ehemänner ihre Ehefrauen lieben sollen, wie Christus
liebte, können sie dann irgend etwas zurückhalten? Können sie
dann ihre Fruchtbarkeit zurückhalten?
III. Empfängnisverhütung: Mit unserem Leib lügen
8. Da Gott den menschlichen Leib männlich und weiblich geformt hat, damit
er beides, Leben und Liebe, weiter geben kann, führen Ehemann und Ehefrau,
jedes Mal, wenn sie absichtlich das Erreichen dieses zweifachen Zieles durch
Empfängnisverhütung hemmen, eine Lügenszene auf. Die Körpersprache
des ehelichen Aktes sagt: Ich bin ganz dein, aber das empfängnisverhütende
Mittel fügt hinzu: außer meiner Fruchtbarkeit.
So lügen sie in Wirklichkeit einander mit ihrem Leib an. Schlimmer noch,
sie maßen sich stillschweigend die Rolle Gottes an. Durch das Durchkreuzen
des Zwecks der ehelichen Liebesumarmung sagen sie zu Gott: Du magst ja
unsere Körper dazu bestimmt haben, dir dabei zu helfen, einer unsterblichen
Seele Leben zu geben, aber du hast einen Fehler gemacht -- einen Fehler, den
wir korrigieren wollen. Du magst ja der Herr unseres Lebens sein -- aber nicht
Herr unserer Fruchtbarkeit.
9. In diesem Monat vor 35 Jahren sagte Papst Paul VI., was die wesentliche
Aussage angeht, dasselbe, in seiner Enzyklika Humanae Vitae: Es
besteht eine unlösbare Verknüpfung der beiden Sinngehalte des ehelichen
Aktes: liebende Vereinigung und Fortpflanzung. Diese Verknüpfung wurde
von Gott selbst geschaffen, und der Mensch darf sie nicht eigenmächtig
auflösen.9
Papst Paul VI. verurteilte weiterhin jede Form der Empfängnisverhütung
als der Würde der menschlichen Person nicht angemessen. Eine Woge zornigen
Widerspruchs erhob sich gegen diese Lehre. Katholiken und Nicht-Katholiken gleicher
weise brachen in heftige Schelte aus über den zölibatären
alten Mann im Vatikan, der die Zeichen der Zeiten nicht lesen könne
und damit die Kirche daran hindere, ganz in die moderne Ära einzutreten.
Aber der Heilige Vater tat nichts anderes, als dass er die ungebrochene Lehre
der Kirche von Anfang an von neuem bekräftigte, die von allen christlichen
Konfessionen aufrechterhalten worden war, bis die Anglikanische Kirche auf ihrer
Lambeth-Konferenz im Jahr 1930 als erste den Bruch vollzog.10 Im Wesentlichen
-- wenn auch nicht mit genau denselben Worten -- erklärte er: Es
ist für den Menschen nicht recht, was Gott verbunden hat zu trennen. Es
zu versuchen würde bedeuten, den Menschen an die Stelle Gottes zu setzen
und eine Kette entsetzlicher Übel zu entfesseln, die auf die Gesellschaft
zukommen würden.
10. Viele spotteten darüber, welch schreckliche Folgen Papst Paul VI.
prognostizierte, falls die Praxis der Empfängnisverhütung eskalieren
würde. Unter anderem sagte er voraus: 1) eheliche Untreue werde um sich
greifen; 2) die allgemeine Moral werde sinken, besonders unter den Jugendlichen;
3) die Ehemänner würden ihre Ehefrauen nur noch als Sexobjekte betrachten;
und 4) die Regierungen würden ihrem Volk massive Geburtskontrollprogramme
aufzwingen.
Fünfunddreißig Jahre danach ist die moralische Landschaft besät
mit folgenden baren Tatsachen: 1) Die Scheidungsrate hat sich mehr als verdreifacht.
2) Die Zahl der sexuell übertragenen Krankheiten ist von sechs auf 50 gestiegen.
3) Die Bruttoeinnahmen durch Pornographie betragen mehr als alle Einnahmen aus
Berufssport und gesetzlich erlaubter Unterhaltung zusammen. 4) Die Sterilisierung
wird arglosen und ahnungslosen Frauen in Ländern der Dritten Welt aufgezwungen,
wobei China mit seiner Ein-Kind-Politik eine Vorreiterrolle spielt. Heute geben
sogar Kritiker der Enzyklika Humanae Vitae zu, dass ihre Lehre prophetisch
war.11
11. Viele Katholiken, die Empfängnisverhütungsmittel anwenden, behaupten
von sich, dass sie nichts Falsches tun, da sie lediglich dem Gebot ihres Gewissens
folgen.
Lehrt die Kirche schließlich nicht, dass wir unserem Gewissen folgen
müssen bei der Entscheidung, ob ein Verhalten richtig oder falsch ist?
Ja, das ist wahr, vorausgesetzt, dass es ein richtig gebildetes Gewissen ist.
Ganz besonders müssen wir alle unser individuelles Gewissen nach dem Naturrecht
und den Zehn Geboten ausrichten, so wie wir unsere Uhren nach der Sonnenzeit
(Greenwich Mean Time) einstellen müssen. Wenn eine Uhr zu schnell oder
zu langsam geht, wird sie uns bald sagen, dass es Schlafenszeit ist, wenn gerade
der Tag dämmert. Und wenn wir sagen, dass wir unser individuelles Gewissen
einem Verhalten anpassen müssen, das deutlich dem Gesetz Gottes widerspricht,
ist das genauso, wie wenn wir unser Leben nach der Uhr richten müssten,
auch wenn sie uns sagt, dass die Nacht Tag ist.12
IV. NFP (Natürliche Familienplanung): Mit unserem Leib die Wahrheit
sagen
12. Ich befürchte, dass vieles von dem, was ich gesagt habe, eine scharfe
Kritik an den Ehepaaren zu sein scheint, die Empfängnisverhütungsmittel
anwenden. In Wirklichkeit gebe ich nicht ihnen die Schuld an dem, was in den
vergangenen vier Jahrzehnten geschehen ist. Es war nicht ihre Schuld. Mit seltenen
Ausnahmen liegt bei uns Bischöfen und Priestern die Schuld, weil wir geschwiegen
haben.13
Ein Brief, den ich von einem jungen Vater im vergangenen Jahr bekommen habe,
steht für viele andere: Am Anfang unserer Ehe, wendeten Jan und ich
künstliche Empfängnisverhütung an wie jeder andere auch. Die
heutige Kultur sagte uns, dass dies das Normale war. Wir wussten zwar, dass
die offizielle' Lehre der Kirche dagegen war, aber uns wurde nicht gesagt,
warum. Wir hatten sogar Priester, die uns sagten, dies sei eine persönliche
Entscheidung; wenn wir es also für nötig hielten, zu verhüten,
sei das in Ordnung. Aber Ehepaare müssen gesagt bekommen, warum Empfängnisverhütung
schlecht ist. Uns wurde niemals gesagt, dass die Pille ein Abtreibungsmittel
ist, das möglicherweise ein soeben empfangenes Kind abtreiben kann, ohne
dass wir es wissen. Es wurde uns nicht gesagt, dass die künstliche Geburtenregelung
ein Hindernis für das Aufbauen einer gesunden Ehe ist. Wir wussten nicht,
dass es eine gesündere, von der Kirche anerkannte Alternative zur künstlichen
Geburtenregelung gibt.
13. Während Empfängnisverhütung immer falsch ist, gibt es einen
moralisch annehmbaren Weg für Ehepaare den Abstand zwischen den Geburten
ihrer Kinder zu planen -- die natürliche Familienplanung (NFP). Die Ehepaare
können die Geburten regeln, indem sie sich des ehelichen Aktes während
den fruchtbaren Zeiten der Ehefrau enthalten. Durch NFP-Lehrer lernen Ehepaare,
wie sie die fruchtbaren Tage bestimmen können, die sieben bis 10 Tage pro
Zyklus dauern können.
NFP hat mehrere Vorteile: Sie ist wissenschaftlich zuverlässig, hat keine
schädlichen Nebenwirkungen, und sie verursacht nach den anfänglichen
Materialkosten keine weiteren Kosten. Erhebungen haben gezeigt, dass NFP, wenn
sie genau befolgt wird, in 99 Prozent bewirken kann, dass eine Schwangerschaft
(einstweilen) verschoben wird. Der Prozentsatz entspricht dem bei der Pille
und ist höher als bei allen Verhinderungsmethoden. Und, was das Beste von
allem ist, der Ehemann und die Ehefrau entdecken, weil sie dem Willen Gottes
entsprechen, die wunderbar entworfenen Funktionen ihrer Fruchtbarkeit, sie vertiefen
ihre Vertrautheit miteinander und ihre Liebe zueinander.
14. Aber wie unterscheidet sich die natürliche Familienplanung von der
Empfängnisverhütung? Und warum sich aufregen, wenn beider Ziel doch
das gleiche ist? Um den Unterschied zu verstehen, muss eines klar werden, dass
der richtige Zweck einer Handlung nicht immer das Mittel rechtfertigt, das man
dabei anwendet.
Stellen wir uns zum Beispiel zwei Ehepaare vor, die ihre Familien ernähren
wollen. Das erste Ehepaar tut es durch eine erlaubte Arbeit, während das
andere Ehepaar es tut, indem es in illegalen Drogen handelt. Oder zwei Personen
wollen abnehmen. Die erste erreicht das Ziel, indem sie konsequent eine strenge
Diät hält, während die andere Person sich stark überisst
und dann das Gegessene absichtlich erbricht. Oder, um zu unserer Analogie der
Körpersprache zurückzukommen: Zu sagen, dass NFP sich nicht von der
Empfängnisverhütung unterscheidet ist so als wenn man sagen würde,
dass zu schweigen gleichwertig mit lügen ist.
Paul VI. drückte den selben Gedanken poetischer aus: Wer das Geschenk
ehelicher Liebe genießt und dabei die Gesetze der Zeugung und der Empfängnis
achtet, der erkennt an, dass er nicht der Herr über die Quellen des Lebens
ist, er stellt sich vielmehr in den Dienst des vom Schöpfer geschaffenen
Planes.14
15. Was würden Sie von einem Wissenschaftler halten, der das Heilverfahren
gegen Krebs entdeckt hat sich aber weigert, es bekannt zu machen? Wie kann man
angesichts der geistigen Krebskrankheit, welche die Familie angreift, erklären,
warum wir Bischöfe und Priester zögern und die gute Nachricht der
vollständigen Lehre der Kirche über die eheliche Liebe und das eheliche
Leben nicht weitergeben wollen?
Schauen Sie sich folgende statistischen Daten an: Heute enden mindestens 30
Prozent aller Ehen mit einer Scheidung. Demgegenüber beträgt der Prozentsatz
bei Ehepaaren, welche die natürliche Empfängnisregelung anwenden nur
3 Prozent 15. Seitdem die Empfängnisverhütung in den frühen 1960er
Jahren bis zur Gegenwart sich immer mehr ausbreitete, treten in entsprechendem
Umfang immer mehr Scheidungen auf. Wie soll man eine solch dramatische Zunahme
gescheiterter Ehen erklären? Wie wir in Absatz 4 gesehen haben, muss es,
wenn wir das, was Gott im ehelichen Akt zusammengefügt hat, durch Empfängnisverhütung
voneinander trennen, Auswirkungen auf das haben, was Gott im Ehebund miteinander
verbunden hat. Diese Auswirkung ist die Scheidung. Die Lösung ist klar.
Was wir brauchen, ist Mut.
16. Um dem Schweigen entgegen zu wirken, das die Lehre der Kirche auf diesem
Gebiet umgibt, ordne ich als Ihr Bischof an, dass folgende Richtlinien in unserer
Diözese ausgeführt werden:
- Alle Geistliche im pastoralen Dienst sollten die befreiende Botschaft Johannes
Pauls des II. von der Theologie des Leibes studieren, um sie anderen
mitteilen zu können.16
- Beichtväter sollten sich vertraut machen mit dem Vademecum
für Beichtväter hinsichtlich einiger Aspekte der Moral des ehelichen
Lebens.
- Immer wenn sich Gelegenheit bietet, sollten Priester und Diakone in ihren
Predigten die Lehre der Kirche über die Ehe darlegen, einschließlich
der Antwort auf die Frage, warum die empfängnisverhütende Verhaltensweise
falsch ist.
- Angemessene Unterweisungen in NFP sollen Bestandteil aller Ehevorbereitungsprogramme
werden.
- Unterweisungen an unseren höheren Schulen, in den oberen Klassen für
Religionslehre und den RCIA-Klassen sollte deutlich die sittliche Verwerflichkeit
jener Formen sexuellen Verhaltens gelehrt werden, die von der Kirche verurteilt
werden, einschließlich der Empfängnisverhütung.
17. Zum Schluss möchte ich gerne aus einem Artikel von Roberta Roane zitieren,
der im National Catholic Reporter erschienen ist. Frau Roane schreibt
am Anfang: Ja, im Jahr 1968 war ich voller Leben und fruchtbar. Ich war
19 Jahre alt, ich wusste Bescheid, dass die Pille ein Geschenk Gottes und 'Humanae
Vitae' total von gestern ist. Ich war überzeugt, dass es der Pille gelingen
würde, Teenagerschwangerschaften, Ehekonflikte und Weltbevölkerungsprobleme
zu beseitigen ... Nachdem sie von ihrer Odyssee erzählt hat: drei
Kinder, Wechsel von der Pille zu IUD (Intrauterinpessar), zu Kondomen, fährt
sie fort:
Schließlich erreichten mein Ehemann und ich einen Wendepunkt. An
einem Tiefstpunkt in unserer Ehe angelangt, begegneten wir einigen großartigen
Menschen, die uns drängten, unser Leben wirklich dem Herren zu geben und
in ehelicher Keuschheit zu leben.
Das nahm uns die Luft weg. Wir dachten zuerst, das hieße, nicht
mehr miteinander zu verkehren. Das heißt es nicht. Es bedeutet vielmehr,
die körperliche Vereinigung als einen geheiligten Akt zu achten. Es bedeutet,
wie ein Ehepaar zu handeln, das einander liebt, das voreinander Ehrfurcht hat,
nicht wie ein Paar von Katzen, die rollig sind. Für meinen Ehemann und
mich bedeutete es NFP ... und ich will Ihnen nichts vormachen, es war eine harte
Schule! NFP und eine keusche Haltung gegenüber der Sexualität in der
Ehe öffneten für uns eine neue Welt. Sie verband meinen Mann und mich
auf eine Weise, die so tief ist, so stark, dass man es schwer beschreiben kann.
Manchmal ist es schwierig, aber das bringt uns noch näher zueinander. Wir
ehren einander. Und, wenn wir zusammenkommen, sind wir wie ein Paar in den Flitterwochen.
Traurig ist, dass ich über 35 Jahre alt war, als ich endlich erkannte,
dass die Kirche am Ende doch recht hatte. Nicht Charlie Currans sich anbiedernde
Kirche des laissez-faire, die es allen recht machen will, sondern die wirkliche
Kirche, die Kirche, der wir in der Couple to Couple League (Ehepaar-Liga)
begegneten, der katholischen Kirche. Die Kirche hat recht in ihrem Urteil über
die Empfängnisverhütung (sie ist falsch), sie hat recht in ihrer Lehre
über die Ehe (sie ist ein Sakrament), sie hat recht in dem, was sie über
das Glück des Menschen sagt (es fließt -- nein es flutet/strömt,
wenn man den Willen Gottes liebevoll annimmt). Sie gab uns Tiefe. Sie öffnete
unsere Herzen für die Liebe.17
Roberta Roanes Worte sind nichts anderes als ein Widerhall dessen, was der
heilige Paulus vor vielen Jahrhunderten geschrieben hat:
Wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist,
der in euch wohnt, den ihr von Gott empfangen habt? Wisst ihr nicht, dass ihr
nicht euch selbst gehört.? Ihr wurdet um einen hohen Preis erkauft. Verherrlicht
Gott mit eurem Leibe!18
Anmerkungen
1. Genesis 1:27. Die Heilige Schrift betrachtet Kinder stets als einen
Segen (Psalm 127:3) und Unfruchtbarkeit als eine Schande (Lukas 1:25)
2. Genesis 2:18 und Markus 10, 8,9
3. Matth. 19,3
4. John F. Kipley entfaltet dieses Thema in Birth Control and Christian
Discipleship(Geburtenregelung und christliche Jüngerschaft,
CCL, Cincinnati 1994
5. Theologie der Körpersprache, Mittwochsaudienz am 5. März
1980
6. Die ursprüngliche Bedeutung von intercourse ist Austausch
von Gedanken. Zu Shakespeares Zeiten war es üblich, das Verb to
know erkennen als Euphemismus für sexuelle Beziehungen
zu gebrauchen. Das Verb to conceive wird immer noch für beides,
für sexuelle und verbale Kommunikation gebraucht: Sie empfing ihr
erstes Kind. / Ich kann mir nicht vorstellen, wie das geschah
(She conceived her first child, I cant conceive how that happened)
7. Isaiah 62:5
8. Epheserbrief 5:25
9. Humanae Vitae, Nr. 12
10. John F. Noonan behandelt in seiner bahnbrechenden Studie, Empfängnisverhütung
(Cambridge: Harvard University Press, 1965) detailliert die Geschichte der Empfängnisverhütung
von der Antike bis zur Gegenwart. Er dokumentiert, dass von der Didache (A.D.
80) bis zur Lambeth-Konferenz von 1930 alle christlichen Konfessionen, ohne
Ausnahme, die Empfängnisverhütung als in sich unsittlich betrachteten.
11. In einem Artikel, der im US News & World Report am 1. Juli
1996, S. 57 erschien, machte der renommierte Anthropologe Lionel Tiger für
viele der heutigen Probleme die weit verbreitete Verwendung der Pille verantwortlich,
die in den '60er Jahren begann: Wie es häufig geschieht, hat die
Technologie (in diesem Fall die Empfängnisverhütung) Auswirkungen
gezeitigt, mit denen man nicht gerechnet hat: mehr Abtreibungen, mehr Alleinerziehende
Elternteile, mehr Männer, die ihre Rolle als gute Ernährer ihrer Familien
aufgeben, und eine höhere Scheidungsrate.
12. Sinngemäß zitiert aus Good Work, The Dorothy Day
Book (Templegate)
13. Papst Gregor der Große rügte die Bischöfe seiner Zeit als
schwache Hirten, weil sie es versäumten, ihre Stimme zu erheben, als es
ihre Pflicht gewesen wäre: Hirten, denen es an Mut fehlt, zögern
offen zu verkünden, was sie sollten. Sie handeln aus Menschenfurcht. Wie
uns die Stimme der Wahrheit sagt, sind solche Führer 'Mietlinge, die fliehen,
indem sie sich ins Schweigen flüchten, wenn der Wolf erscheint.
(Patrologia Latina (PL) 77:30)
14. Humanae Vitae, Nr. 13
15. Untersuchungen über die Scheidungsrate bei Ehepaaren, die NFP praktizieren,
weichen voneinander ab. Das Zentrum für Krankheitskontrolle- und
Vorbeugung gibt 5 Prozent an, während Familie der beiden Amerikas
2 Prozent nennt.
16. Reverend Richard Hogan und Reverend John LeVoir schrieben einen Kommentar
zu Johannes Pauls des II. Theologie des Leibes, in Covenant of Love(Der
Liebesbund), Ignatius Press, (1992). Als vereinfachte Version der Mittwochsaudienzen
Johannes Pauls des II. hat Monsignor Vincent Walsh The Theology of the
Body) veröffentlicht (Key of David Publications). Und Christopher
West, früherer Direktor des Büros für Ehe und Familienleben der
Erzdiözese Denver (siehe www.theologyofthebody.net), hat einige ausgezeichnete
Tonkommentare zu dem gleichen Thema verfasst.
17. National Catholic Reporter, am 31. Oktober 1986
18. 1 Korinther 6:19,20
- zurück zur News-Übersicht -