Familie: Ort der unbedingten Beziehungen - Labor für
die Welt von morgen
Achtung! Was sich heute in Sachen Familie rund um
uns tut, was politisch und medial forciert wird, gefährdet die menschliche
Substanz! Das ist kein effekthascherischer Alarmruf. Es ist die nüchterne
Feststellung der Tatsache, daß dem Menschen, vor allem dem heranwachsenden,
keineswegs irgendwelche, im Labor von Ideologen entwickelte Lebensumstände
zugemutet werden können.
Warum? Weil der Mensch als Abbild Gottes geschaffen ist. Er ist also geschaffen
- nach einem Konzept, das nicht beliebig verändert werden kann.
Was gehört aber zu diesem Grundkonzept? Daß er als Mann oder als Frau
existiert und daß Mann und Frau aufeinander zugeordnet sind, berufen, sich
unverbrüchlich aneinander zu binden, um eins und fruchtbar zu werden. In
der Einheit von Mann und Frau leuchtet das Geheimnis des liebenden Gottes in
der Schöpfung auf, hat Papst Johannes Paul II. klargestellt.
Gesellschaftliche Konzepte, die Schwulen- und Lesbenpaare dieselbe Stellung wie
Ehepaaren einräumen, die den Müttern einreden, ihre Kinder seien in
Krippen besser aufgehoben als daheim, die Scheidungen erleichtern, das Töten
ungeborener Kinder zur Alltagsroutine öffentlicher Einrichtungen verkommen
lassen und die sich anschicken, alte Menschen durch "Gnadentod" zu
entsorgen, sind zum Untergang verurteilt. Weil sie gegen die Grundgegebenheiten
des Menschseins verstoßen. So einfach ist das.
Daß hemmungsloses Herumpfuschen am Lebensraum - durchaus existenzbedrohende
- Umweltprobleme schafft, haben mittlerweile viele erkannt. Daß ebensolches
Herumpfuschen an den Bedingungen menschlichen Zusammenlebens genauso bedrohlich
ist, wird - trotz überdeutlicher Warnsignale - übersehen.
Die Gestaltung der Mann-Frau-Beziehung entscheidet dabei über das Wohl und
Wehe der Völker: Die lebenslange Ehe im Dienst der eigenen Kinder ist -
weil es der von Gott vorgezeichnete Weg ist - der Schlüssel für eine
gedeihliche gesellschaftliche Entwicklung. Je stabiler, je geordneter die Mann-Frau-Beziehungen
sind, umso höher das Entwicklungsniveau eines Volkes. Dies ist das eindeutige
Ergebnis eines Vergleichs von 80 Kulturen, den J.D. Unwin schon in den dreißiger
Jahren angestellt hat: "In den Annalen der Geschichte gibt es kein Beispiel
einer Gesellschaft, die über einen gewissen Zeitraum hohe soziale Energie
hatte, außer sie war absolut monogam. Darüber hinaus kenne ich keinen
Fall, in der eine Gesellschaft, die absolut monogam war, nicht sehr hohe soziale
Energie gezeigt hätte."
Wo sich diese Ordnung auflöst, ist der kulturelle Niedergang vorgezeichnet
- spätestens innerhalb von drei Generationen. Soweit der wissenschaftliche
Befund. Wir stehen mitten in einer solchen Entwicklung.
Als Christen müssen wir zunächst zur Kenntnis nehmen, daß wir
uns in einer solchen Phase des Niedergangs befinden. Auf eine politische Wende
zu hoffen, erscheint derzeit unrealistisch. Wir müssen uns daher die Frage
stellen: Was können wir trotzdem tun? Ich denke, es geht vor allem darum,
Orte der Hoffnung zu gründen, sich im eigenen Lebensbereich dafür einzusetzen,
daß Beziehungen gelingen. Daß es unter jüngeren Christen immer
mehr Paare gibt, die ihrer Ehe und ihrer Familie Vorrang vor Karriere, Erfolg
und gesellschaftlichem Status einräumen, ist dabei ein Grund zur Hoffnung.
Was mir in diesem Zusammenhang an den Zeugnissen solcher Paare besonders auffällt,
ist die realistische Sicht auf Schwierigkeiten, die im ehelichen und familiären
Alltag zu bewältigen sind. Da wird kein bißchen heile Welt vorgegaukelt.
Beeindruckend ist aber auch das Zeugnis dafür, wie konkret die Hilfe Gottes
auf diesem Weg in Anspruch genommen wird. Ja, es stimmt: an der christlichen
Familie muß heute im Gegenwind gebaut werden. Sie ist gewissermaßen
eine Kontrastgesellschaft. Aber sie ist das Modell der Zukunft, weil sie gleichzeitig
das Modell menschlichen Zusammenlebens schlechthin ist.
Warum? Weil das unbedingte Zueinanderstehen in Ehe und Familie Ausdruck der unbedingten
Würde jedes Menschen ist. Man kann nicht fortwährend die Würde
jedes Menschenwürde beschwören und diesen gleichzeitig als Wegwerfprodukt
behandeln. Denn jeder hat Anrecht auf die grundlegende Erfahrung: Ich bin ohne
Vorbehalte angenommen, die anderen erkennen in mir den Besonderen, ich bin bedingungslos
in die Gemeinschaft integriert. Jeder hat seinen Namen, jeder hat seine Stellung
im Geflecht. Es sind einmalige unaustauschbare Beziehungen zum Vater, zur Mutter,
zur Tochter, zum Sohn, zum Bruder, zur Schwester...
Wie wichtig dieses unbedingte Ja zueinander ist, merkt jeder in persönlichen
Notsituationen: Wenn es in der Schule oder am Arbeitsplatz Probleme oder Rückschläge
gibt, wenn man im Umfeld auf Ablehnung stößt, wenn Alter oder Krankheit
das Leben belasten oder bedrohen, wenn Pflege erforderlich wird, wenn Trauer
oder Depression zu bewältigen sind...
Was nützt es, von hehren Menschenrechten zu sprechen, wenn dem einzelnen
diese notwendige Voraussetzung für sein Menschsein vorenthalten wird, die
Erfahrung: Du bist - trotz allem, was geschehen mag - geliebt, du bist liebenswert,
wir stehen zu dir. Dann kann im einzelnen auch die Erkenntnis wachsen: Auch ich
bin liebes- und daher bindungsfähig, bereit und imstande, anderen die Erfahrung
ihrer unbedingten Würde zu vermitteln.
Noch einmal: Hier wird keine Familienideologie vertreten, hier ist nicht die
Rede von einer Idylle. Der rauhe Alltag ist geprägt von Versagen. Wer kennt
das nicht? Aber dieser Alltag kennt für uns Christen auch das Vergeben und
den Neubeginn aus der Kraft des Heiligen Geistes. Dieser ist der Lebensstrom
der Hauskirchen, die in unseren Tagen entstehen und die dem Zeitgeist die Stirne
bieten werden.
In unserer Familie machen wir derzeit die Erfahrung, wie wichtig diese Unbedingtheit
der Beziehungen gerade für den alten Menschen ist: Unsere Mütter, 90
und 93, sind mittlerweile in einer Verfassung, in der sie nicht mehr allein für
sich sorgen können. Sie sind bei der Bewältigung ihres Alltags unbedingt
auf Hilfe angewiesen. Sicher, es gibt gute professionelle Unterstützung.
Sie ist in Österreich ausnehmend gut organisiert. Und dennoch: Mit körperlicher
Pflege, Essen auf Rädern und ärztlicher Betreuung ist es ja nicht getan.
Für uns, ihre Kinder, Enkel und Urenkel sind die beiden Frauen eben nicht
Betreuungsfälle, sondern sie bleiben die Mütter, die Großmütter,
die Urgroßmütter, die besondere Personen, die wir begleiten, über
deren Dasein wir uns freuen, deren Freuden und Leiden wir, so gut es geht, teilen,
deren Anliegen wir vertreten, wenn sie in der Maschinerie der Dienstleistunggesellschaft
unter die Räder zu kommen drohen - in dankbarer Erinnerung an all das Gute,
das sie für uns getan haben.
Familie als Netzwerk unbedingter Zuwendung ist und bleibt unersetzbar. In unserer
Zeit, die den Wert des Menschen nach Kosten-Nutzen-Überlegungen bemißt,
wird sie zur Oase der Hoffnung für die Menschen in ihrer Umgebung.
Quelle: Vision
2000
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