Weinheim.(hr) Richter Hans-Jörg Münchbach befand sich
gestern nach eigener Aussage in einer schwierigen Situation.
Er hatte zunächst die Eröffnung des Verfahrens wegen
Beleidigung gegen einen "kompromisslosen Abtreibungsgegner"
aus Weinheim abgelehnt.
Seiner Meinung nach waren dessen Aussagen auf einem
Flugblatt durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Doch das
Landgericht Mannheim hob Münchbachs Entscheidung am 27.
November auf und verwies das Verfahren zurück ans Weinheimer
Amtsgericht. Es endete gestern mit einem Freispruch für den
Abtreibungsgegner. Die Staatsanwaltschaft hatte drei Monate
Freiheitsstrafe auf Bewährung gefordert. Staatsanwalt
Hans-Heiko Klein begründete das Strafmaß damit, dass der
Abtreibungsgegner bereits einmal rechtskräftig verurteilt
wurde; er wusste also genau, was er tat. Die Verteidigung
hatte auf Freispruch plädiert. Richter Münchbach machte in
seiner Urteilsbegründung zunächst keinen Hehl daraus, dass
er die Entscheidung aus Mannheim nicht nachvollziehen
konnte. Für ihn galt es zwischen dem Grundrecht auf freie
Meinungsäußerung und dem Paragraf 185 Strafgesetzbuch
(Ehrenschutz) abzuwägen.
Was war passiert? Der kaufmännische Angestellte aus
Weinheim hatte vor einem städtischen Klinikum in Koblenz
Flugblätter verteilt, für welche er als Mitarbeiter der
Organisation "Aktion Leben" presserechtlich verantwortlich
gewesen war. Auf dem Blatt fanden sich Sätze wie "Stoppt den
Kindermord!" sowie "In der Klinik werden rechtswidrige
Abtreibungen vorgenommen". Während das Landgericht Mannheim
und die Staatsanwaltschaft die Tatbestände der Beleidigung
beziehungsweise der üblen Nachrede für erfüllt sahen,
konnten Richter Münchbach und Verteidiger Leo Lennartz dies
nicht bestätigen.
Dass Abtreibungen "rechtswidrig, aber nicht strafbar"
seien, habe das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil von
1993 bestätigt, betonte Münchbach gestern bei der
Urteilsverkündung. "Diese Wertung ist demnach vom
Bundesverfassungsgericht gedeckt", erklärte der Richter.
Nichts anderes habe er nach dem Studium des Flugblattes dort
gelesen, fügte er hinzu. Die Aussage "rechtswidrige
Abtreibung" isoliert zu betrachten, ist für den Richter
daher unzulässig. Der Angeklagte habe ohnehin nicht
behauptet, dass das Klinikum angeblich nach der zwölften
Woche, also illegal und ohne medizinische Indikation,
abtreibe.
Dies wiederum hatte das Landgericht Mannheim dem
Weinheimer vorgeworfen. Eine mögliche Schmähkritik oder
Beeinträchtigung der Menschenwürde der Betroffenen verneinte
Münchbach ebenfalls. Der Abtreibungsgegner vertrete ein
Anliegen; ihm gehe es um die Sache und nicht um Personen.
Der Angeklagte wolle vielmehr auf einen Missstand aufmerksam
machen, beziehungsweise eine öffentliche Diskussion
anstoßen, so der Verteidiger.
'Damals: Holocaust - heute: Babycaust'
Ein christlicher Lebensrechtler bekam Recht vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe
- Ein Portrait des Lebensrechtler Klaus Günter Annen - Von Marcus Mockler
Die Meldung ging in der vergangenen Woche durch alle Medien: Abtreibungsärzte
müssen es sich gefallen lassen, daß ihr Tun als Mord bezeichnet wird
und daß die hohe Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland
(zwischen 200.000 und 300.000 pro Jahr) mit dem Etikett neuer Holocaust
belegt wird. Diesen juristischen Sieg hat der Lebensrechtler Klaus Günter
Annen (Weinheim bei Heidelberg) vor dem Oberlandesgericht Karlsruhe errungen.
Das Gericht sieht zwar in den Formulierungen einen erheblichen Vorwurf
und eine spürbare Kränkung, doch sei dies durch die Meinungsfreiheit
im Kampf um eine fundamentale Frage gedeckt.
Fünf Strafanzeigen
Klaus Günter Annen ist in den vergangenen Jahren zum Schrecken der Abtreibungsärzte
geworden. Er verteilt Flugblätter vor ihren Praxen, wo er zum Stopp rechtswidriger
Abtreibungen aufruft. Das hat ihm eine Fülle von Strafanzeigen beschert,
derzeit laufen noch fünf. Nicht alle Urteile sind zu seinen Gunsten ausgefallen.
Erst im März vertrat das Oberlandesgericht Stuttgart die Auffassung, daß
Abtreibungen in der gesetzlich vorgeschriebenen Form aus der Sicht eines unvoreingenommenen
Publikums nicht rechtswidrig seien. Die Richter drohten Annen ein Ordnungsgeld
von bis zu 250.000 Euro oder sechs Monate Haft an, falls er seine Flugblätter
noch einmal vor der Praxis eines Frauenarztes verteile. Andererseits hat ihm
bereits vor drei Jahren als letzte Instanz der Bundesgerichtshof zugebilligt,
daß sein Slogan Damals: Holocaust - heute: Babycaust mit der
freien Meinungsäußerung vereinbar sei.
Begegnung mit Freikirchlern
Der 52jährige Annen ist katholisch, verheirateter Vater von zwei Kindern.
Zu einem lebendigen Glauben an Jesus Christus habe er Ende der 80er Jahre durch
die Begegnung mit evangelikalen Freikirchlern gefunden, berichtet er im Gespräch
mit idea. Dort habe er auch bei einem Vortrag den Vorsitzenden der Aktion
Leben, Walter Ramm (Abtsteinach bei Heidelberg), kennengelernt und dabei
Feuer für das Thema Lebensschutz gefangen. Der gelernte Kaufmann Annen,
der früher in der Automobilbranche tätig war, arbeitet heute selbst
für die Aktion Leben. Allerdings legt er Wert auf die Feststellung:
Die Flugblattaktionen vor Frauenarztpraxen sind seine Privatinitiative, finden
in seiner Freizeit statt und haben mit seinem Arbeitgeber nichts zu tun.
Warum ist ihm der brutale Vergleich von Judenmord und Abtreibung so wichtig?
Ich will die Leute zum Nachdenken bringen. Über die sechs Millionen
Juden, die von den Nazis umgebracht wurden, sind wir heute noch schockiert.
Daß seit dem Zweiten Weltkrieg doppelt so viele Kinder im Mutterleib getötet
wurden, erregt dagegen kaum Aufsehen. Mit seinen Aktionen will Annen das
große Unrecht, das unschuldige Babys erleiden, ins Bewußtsein
rufen.
Ohne Gebet geht nichts
Auf seiner Internetseite ( www.babycaust.de) ruft er zum Gebet auf für
betroffene Frauen und Abtreibungsärzte. Ohne Gebet geht nichts,
so seine Überzeugung. Auch die Tatsache, daß er in mehr als zehn
Jahren Lebensrechtsarbeit vor gewaltsamen Übergriffen verschont geblieben
ist, führt er auf die Erhörung zahlloser Gebete zurück. So hart
Annen in seiner Sprache auch ist, lehnt er Militanz gegenüber Abtreibungsärzten
doch konsequent ab. Mir wird manchmal vorgeworfen, von meinen Flugblättern
sei es nicht weit bis zu Schüssen auf Abtreibungsärzte, wie es sie
in den USA gegeben hat. Tatsächlich sage ich ohne Wenn und Aber nein zur
Gewalt. Annen kämpft weiterhin mit drastischer Sprache dafür,
daß auch die Ungeborenen von Gewalt verschont bleiben. (idea)
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