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Das Opfer des Prinzen

Zum Andenken an einen gütigen und gerechten Prinzen wurde in einer Stadt ein Denkmal aufgestellt. Das Standbild nannte man den, Glücklichen Prinzen. Die Bürger wetteiferten miteinander um die Ehre, das Standbild mit Gold und Edelsteinen zu schmücken. 
Seit dem Tod des guten Prinzen waren schon einige Jahre vergangen. Der Nachfolger des glücklichen Prinzen hatte nicht die Herzensgüte des Verstorbenen und so zogen Hunger und Not in die Stadt ein. Doch trotz aller Not wagte keiner, das goldene Denkmal des Prinzen zu berauben. 
Der gerechte Prinz im Himmel betete zu Gott, damit die Herzen und Geldbeutel der Reichen geöffnet und die Armen wieder satt werden. Aber seine Fürbitte schien nichts zu nützen und von seinem Denkmal herabsteigen konnte er auch nicht. An einem herbstlichen Tag, an dem die Menschen schon fröstelten, bestürmte der Prinz wiederum den Vater im Himmel: Er würde alles Gold und sein ganzes Denkmal hingeben, wenn der Ewige ihn nur erhören wolle! 

Nicht viel später liess sich eine Schwalbe auf das herrliche, goldglitzernde Denkmal nieder. Sie war auf dem Weg zum Süden, um den kalten Winter überstehen zu Können. Zum Erstaunen des Vogels, der es sich auf der Schulter des Prinzen bequem gemacht hatte, begann dieser plötzlich zu sprechen. Der gerechte Prinz erzählte seinem kleinen Freund, dass er keineswegs mehr glücklich sei: Er schilderte das Elend in den Strassen der Armen und ihre begehrlichen Blicke zu  dem unnützen Reichtum, der ihn umkleidet. 

Geduldig und erstaunt hörte die Schwalbe zu, was der Prinz von seinem ehernen Standbild aus mit ansehen musste. Der Prinz erzählte der Schwalbe von seinen Gebeten und das er glaube, Gott habe ihm die Schwalbe als Boten geschickt. Dann bat er den Vogel, doch einfach die goldenen Blättchen, aus denen sein Gewand bestand, fortzunehmen und in die Häuser der Armen, Kranken und Invaliden zu bringen. Da der Prinz selbst früher viele Notleidende besuchte, konnte er dem Vogel die Strassen und oft auch die Namen nennen. Als der Vogel von seinen Botenflügen zurückkehrte, berichtete er dem glücklichen Prinzen von den Freudenrufen und dankbaren Tränen der armen Menschen. Doch immer noch herrschte Not in den Gassen. Da beschloss der glückliche Prinz, die beiden kostbarsten Edelsteine, die seine Augen bildeten, zu opfern. Die kleine Schwalbe führte schweren Herzens den Befehl des Freundes aus und versprach, immer bei ihm zu bleiben und alles zu berichten, was in der Stadt geschieht. 

Doch schon im kommenden Jahr wurde es bitter kalt. Die Schwalbe starb und fiel zu Füßen des Denkmals auf den Boden. Daraufhin gab es einen dumpfen Schlag im Innern des Denkmals, als würde das Herz des gütigen Prinzen zerbrechen. 
Am anderen Morgen entdeckten die Stadtväter, dass dem Standbild jegliche "äußere Schönheit fehlt; sie beschlossen, das schäbige Denkmal abzureissen. Noch am gleichen Tag kamen Leute, um das Denkmal in die Schmelzhütte zu bringen. Zur grossen Verwunderung der Arbeiter schmolz das erzerne Herz des Prinzen 
nicht. Der Werkführer nahm den störenden Erzklumpen heraus und liess diesen auf den Abfallhaufen werfen. So kam es, dass die tote Schwalbe wieder mit dem glücklichen Prinzen zusammenkam. 

Um diese Zeit rief Gott einen seiner Engel zu sich und sagte: "Fliege in jene Stadt, in der ein frommer Prinz sich den Armen opferte und hole mir die beiden kostbarsten Dinge, die Du dort findest!" Nach einiger Zeit kam der Engel aus jener Stadt zurück und brachte Gott das erzerne Herz des gerechten Prinzen und dessen getreuen Freund, die erfrorene Schwalbe. 
"Du hast gut gewählt", sagte Gott, "denn in meinem himmlischen Garten wird dieser kleine Vogel für alle Zeiten singen und in meiner goldenen Stadt wird der liebevolle Prinz in meinem Paradiese für immer glücklich sein."